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Im Kriechgang

Wolfgang Peller
„Meine fremde Heimat“
Verlag: 
Erscheinungsjahr: 2004
Preis:  DM
ISBN 3-00-012731-3

Kategorie:
von: Holger Küppers







So richtig losgetreten wurde die Diskussion Anfang 2002. Als seinerzeit Günter Grass „Im Krebsgang“ fiktiv vom Leiden deutscher Vertriebener gegen und nach Ende des Zweiten Weltkriegs erzählte, war die Aufregung bei Intellektuellen und Politikern gleichermaßen groß. Während die einen Seite mahnten, dass über diese Diskussion die Frage nach der Kriegsschuld der Deutschen in Vergessenheit zu geraten drohe, meinte die andere, die Zeit sei knapp 60 Jahre später reif genug und dass man nun endlich darüber sprechen müsse. Moralisch gesehen darf darüber jeder denken, wie er will. Aber es ist nicht zu leugnen, dass es auch Kriegsverbrechen seitens der späteren Siegermacht, der Roten Armee der Sowjetunion, gegeben hat.

Wolfgang Peller gehört zu jenen, die die Meinung vertreten, dass eine Debatte über das Thema durchaus von Nöten ist. Der, wie der erwähnte Literatur-Nobelpreisträger Grass in Danzig geborene Peller ist schließlich selbst betroffen: auch er ist ein Vertriebener. Und so berichtet Peller (Jahrgang 1934) in „Meine fremde Heimat“ in Romanform - auch hier die Parallele zu Grass - über die Schrecken, den die Sowjets damals in Westpreußen verbreiteten. Peller lässt „Wulf“, einen Jungen, gewissermaßen sein alter ego, vom immer weiteren Vorrücken der Roten Armee auf Danzig und weiter gen Westen erzählen. Der kleine „Wulf“ erlebt, wie Soldaten Frauen vergewaltigen und alte Menschen erschlagen, erschießen - sehr oft ohne Grund.

Sehr eindringlich schildert Wolfgang Peller diese Verbrechen, von denen auch „Wulfs“ Mutter betroffenen war: „Nach einiger Zeit, Wulf erschien sie unendlich, kamen die Frauen zurück in den Keller. Sie sahen erbärmlich aus. Die Kleider waren zerrissen und hingen in Fetzen von den Körpern herab, die Gesichter und Arme zerkratzt. Die Haare hingen wirr um die Köpfe. Aber am schlimmsten empfand Wulf den Gesichtsausdruck seiner Mutter. So hatte er sie noch nie gesehen, als ob sie gar nicht mehr lebte. Sie sah ihn nicht einmal an.“

Peller stellt richtigerweise im Vorwort eines klar. Es sei keineswegs seine Absicht, rechtsradikales Gedankengut mit seinem Vertriebenenroman zu füttern, gar zu rechtfertigen. Er habe sich - dieser Gefahr bewusst - vielmehr sogar lang überlegt, ob er den Roman veröffentlichen sollte. Fest steht: Es war gut, dass er es getan hat. Er argumentiert schließlich, dass der Verlust der Heimat auf das Konto der Deutschen geht, und nicht auf das der östlichen Siegermächte, Russland und Polen. (Ja, auch Polen galt als Siegermacht und erhielt das Emsland als fünfte Besatzungszone.)

Das bereits 1956 entstandene Romanmanuskript hatte Wolfgang Peller, der Pädagoge und Schulleiter im anhaltinischen Königsmark war, im Haus seiner Eltern im Westen hinterlegt. Zu DDR-Zeiten wäre es „zu gefährlich gewesen“, es zu Hause aufzubewahren, so Peller. Gut, dass er nach der Wende wieder an das Manuskript gedacht, und noch besser, dass er es endlich publiziert hat. Es hat lange gedauert, bis er es ans Tageslicht brachte, im Kriechgang gewissenmaßen.
Wolfgang Peller ist heute Fraktionsvorsitzender im Kreistag.


(Verlag: selbstverlegt, Druck: AT-Werkstatt, Druckerei Fachkrankenhaus Uchtspringe, bestellbar unter: 039390/82118)


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